Ein Unglück kommt selten allein!
Wie schon vorher berichtet, war Frau Herrmann eine gute Vogelmutter und wartete sicherlich auf ihr zweites Mauerseglerkind. Die Nacht zum 17. Juni verlief für die Vogeleltern und dem Erstling noch ruhig. Zu bemerken wäre, dass eine Eierablage normalerweise innerhalb 2-4 Tagen erfolgt, so dass beim Ausschlüpfen der Brut kein großer zeitlicher Abschnitt liegt. Jedoch bestand zwischen dem Nachwuchs der Familie Herrmann schon ein erheblicher Zeitabstand: Ein ziemlich großes Vogelküken und ein noch völlig unversehrtes Ei.
Brav kümmerte sich Familie Herrmann um ihren Erstling und wartete auf das zweite Kind. Lange konnte es ja nicht mehr dauern! Am 17.Juni bemerkten die Eltern nachts um 1:37 Uhr, dass sich etwas tat. Und wirklich:
Um 10: 28 Uhr am Morgen lag anstelle des Eies ein Winzling im Nest ( sehr zur Freude aller Mauersegler-Beobachter und wahrscheinlich auch der Vogeleltern). Im Vergleich zu seinem Geschwisterchen sah er noch erbärmlich klein aus, würde jedoch wohl schon im Laufe der Fütterung zunehmen.
Hier ein paar Aufnahmen des Kleinen (oder der Kleinen?) der (die) schon ziemlich hungrig schien. Frau Herrmann's Aufgabe war erst mal das Kleine zu wärmen und sehnsüchtig auf Futternachschub ihres Mannes zu warten. Es galt ja immerhin ab jetzt zwei hungrige Mäuler zu stopfen.
Während die Eltern sich abwechselnd auf Futtersuche begaben, wärmten sich beide Vögelchen gegenseitig; denn das Wetter zeigte sich nicht gerade von der besten Seite und es war ziemlich kühl an diesem Tag.
Das kleine Wesen musste wohl starken Hunger haben, denn immer wieder schien man den Eindruck zu haben, dass es sogar sein Geschwisterchen anbettelte, dann aber resigniert wieder in sich zusammenfiel, wenn es nichts erhielt.
Dabei verkroch es sich immer mehr unter dem größeren Nestling und man hatte Angst, dass es von diesem erdrückt würde. In kurzen Abständen kamen laufend die Vogeleltern vorbei, fütterten und alles schien normal zu verlaufen.
Selbstverständlich wurde das größere Vogelkind von den treu sorgenden Eltern nicht vergessen. Vogelvater wie Vogelmutter verteilten gerecht an jedes Kind ihre mitgebrachte Nahrung, wie wir zufrieden feststellen konnten.
Doch schon gegen Abend nahte das Unheil. Dauernd sah man, dass das Kleine unter der Vogelmutter laufend herausrutschte. Die Mutter bemerkte es und man könnte als Beobachter meinen, dass sie versuchte das Kleine immer wieder unter sich zu bugsieren. Hier ist jedenfalls deutlich der Nachteil des Kunstnestes erkennbar: Familie Herrmann hatte in den ganzen Jahren des Bestehens ihres Kunstnestes nie Anstalten oder gar Versuche unternommen das Nest ein wenig zu vergrößern, d.h. es mit einem Nestrand zu versehen, wie zum Beispiel Familie Martinet. Diese erhöht jedes Jahr den Rand um ihr Nest und alle Martinet- Familienmitglieder genießen es förmlich ihr Haupt auf diesem Rand abzustützen.
In den nächsten Minuten aber nimmt das Drama seinen Lauf. Noch könnte alles gut sein, aber schon 10 Sekunden später spitzt sich die Situation zu. Bei ihrem mehrmaligen Versuch das Kleine zu sich zurückzuholen, gibt die Vogelmutter plötzlich auf , verliert das Interesse oder aber wird durch ihr zweites Kind abgelenkt.
Das Kleine rutscht weiter ab, man sieht nicht mehr viel von ihm, dann ist es weg und sozusagen im Gang der Starensperre gelandet. Darin hat es zwar viel Platz, ist von wärmendem Holz umgeben und könnte sogar dort von den Eltern noch gefüttert werden. Leider können wir das aber nicht auf dem Bildschirm verfolgen. Jedoch ist augenblicklich festzustellen, dass die Eltern, die ja immer, wenn sie hinausfliegen, an dem kleinen Wesen vorbei und es auch hören müssen, wenn es vielleicht nach Futter bettelt, sich ab diesem Zeitpunkt dort unten länger aufhalten als normal. Wir hoffen, dass noch alles gut geht und der Kleine weiterhin gefüttert wird ohne Beobachtungsmöglichkeit von unserer Seite.
Um eventuelle Fragen unserer WebCam- Besucher schon von vornherein zu beantworten, warum wir nicht den Versuch unternommen haben den Kleinen zu retten, sei folgendes angemerkt:
Wir haben uns bewusst dazu entschieden den kleinen Vogel nicht aus der Starensperre herauszuholen. So Leid es uns auch tat! Denn unser Grundsatz ist und war stets der "Natur nicht ins Handwerk pfuschen" zu wollen.
Zum Ersten hätten wir - um in den Starengang hineinfassen zu können - den gesamten Kasten abbauen müssen. Das wiederum hätte eine gravierende Störung und große Gefahr bedeutet für die darin wohnenden vier Altvögel zwei Jungvögel und das noch im Martinet- Nest verbleibende nicht ausgeschlüpfte Ei.
Zum Zweiten ist zu bemerken, dass die Mutter selbst keinerlei Bemühen mehr zeigte, als das Unglück passiert war.
Und zum Dritten hegen wir immer noch die Hoffnung, dass die Mauerseglereltern das Piepsen ihres Jungen doch nicht ignorierten und - jedes Mal beim Ein- oder Ausflug - sich doch noch um das Vogelkind gekümmert haben.
Warten wir es ab, denn - wie schon bekannt - die Hoffnung stirbt zuletzt.
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