Der Cannossagang im Herbst
Natürlich hatten alle Mauerseglerfreunde die Schlechtwetternachrichten innerhalb Bayerns, der Schweiz und auch stellenweise Österreichs sorgenvoll verfolgt und uns enorme Sorgen gemacht, als auch in diversen Zeitungen berichtet wurde, dass unglaublich viele Mauersegler, Schwalben und andere Insektenfresser verhungerten, oder verunglückten, ja sogar vom Himmel fielen und eingegangen sind. In dem Augenblick wurde mir auch blitzartig klar, dass es mit unserem Nachwuchs in unseren 68 Nistkästen gar nicht gut aussehen würde! Hoffentlich würden manche Mauerseglereltern ihre Jungbrut nicht vorzeitig verlassen, wie es schon mal bei der Familie Herrmann der Fall war im Jahr 2004! Damals gelang es uns den kleinen Herrmann zu retten, aber wenn es dieses Mal viele, viele junge Mauersegler würden??! Während ich noch darüber nachdachte, kam die Nachricht von der Vogelstation in Regenstauf, dass dort auch schon mehrere Mauerseglerjungvögel von vogellieben Regensburgern abgegeben worden waren. Um noch Schlimmeres zu verhindern, entschloss ich mich diese abzuholen und zu Hause hochzupäppeln. Mit vier jämmerlich halbverhungert aussehenden Jungmauerseglern, untergebracht in einem Karton fuhr auf dem schnellsten Weg mit ihnen nach Hause. Dort erhielt jeder sein warmes Nestchen und nacheinander versuchte ich allen ein paar klitzekleine Grillchen bzw. Mehlwürmerstückchen mit etwas Flüssigkeit einzuverleiben. Da ich nicht zum ersten Mal Vögel füttere oder aufpäpple, hatte ich Anfangs gar keine Sorge es bei ihnen nicht zu schaffen! Und das, obwohl alle vier Vögel nur zwischen 30 und 32 Gramm Körpergewicht aufwiesen.
Bei Karli hatte ich noch etwas Hoffnung, dass er es schaffen würde! |
Einer von ihnen, der Karli, wirkte noch etwas munterer als die drei anderen. Nur er war noch sehr gierig etwas zum Fressen zu bekommen, hatte ab und zu die Augen offen, während seine anderen Mitgenossen schon sehr apathisch in ihrem Nestchen saßen und nur sehr, sehr zögerlich die ihnen angebotene Nahrung annahmen. Tag und Nacht, alle zwei bis drei Stunden verpflegte ich mit minimal kleinen Futterstückchen meine neue Vogelschar. Aber trotz aller Bemühungen gelang es mir nicht die Regenstaufer Mauersegler am Leben zu halten. Die jungen Mauersegler hatten einfach schon zu lange gehungert und waren der Kälte bzw. Nässe ausgesetzt gewesen, als man sie in die Vogelstation brachte! Ich habe absichtlich keine Fotos von ihnen hier ins Internet gestellt. Schließlich weiß jeder wie ein Mauersegler normalerweise aussieht. Und bei all dem Kummer muss keiner auch noch deprimierende Bilder von halb verhungerten jungen Mauerseglern anschauen!
In den folgenden Tagen bekam ich noch zusätzlich ein paar halb verhungerte Mauersegler von Privatpersonen. Aber auch hier war ich trotz aller Bemühung nicht erfolgreich. Als ich dann noch zusätzlich eine kleine Blaumeise bekam, war ich zuerst bester Hoffnung es wenigstens bei ihr zu schaffen. Auch sie war nicht mehr von ihrer Mutter gefüttert worden, wahrscheinlich, weil diese auch krank geworden war durch das im Mai ungewöhnliche Wetter.
Um ein eventuell weiteres Drama zu verhindern, beschloss ich mal schnellstens Verbindung mit Dr. Cronenberg, dem Arzt meiner Hausvögel, aufzunehmen. Er konnte mir vielleicht einen Rat geben. Ich wollte schnell die gerade verstorbene Herrmannfamilie zu ihm zu bringen, um genau feststellen zu lassen, woran sie letztendlich gestorben waren. Aber es sollte wohl nicht sein! Herr Dr. Cronenberg war zu diesem Zeitpunkt leider nicht erreichbar und eine Untersuchung müsste möglichst innerhalb 24 Stunden erfolgen.
Zumindest hatte ich ja noch Meisi, die sich prächtig entwickelte. Da ich hier doch etwas Erfolg sah und dadurch Hoffnung schöpfte, machte ich von "Meisi" ein paar Fotos.
Meisi frisst anfangs wenig |
bettelt aber bald ständig, |
und ist schnell satt! |
Als ich dann auch bei der kleinen Meise auch kein Glück hatte, bekam ich Angst, dass es sich eventuell um eine ansteckende Seuche handeln würde: Familie Herrmann war unerwartet schnell und fast gleichzeitig verstorben, der erste Schwung Mauersegler aus der Vogelstation war auffallend apathisch gewesen, wollte nicht fressen und starb schneller als angenommen! Dann folgte auch noch Meisi!, obwohl ich zuerst den Eindruck gehabt hatte es mit ihr zu schaffen! Ich fing an zu grübeln, war noch dazu deprimiert und wurde unsicher! Zwangsläufig kam mir der Gedanke, dass es vielleicht nicht schlecht wäre, die jährliche Nistkastensäuberung nicht wie sonst im Frühjahr, sondern noch in diesem Jahr im Herbst zu arrangieren. Auch Dr. Cronenberg bestärkte mich das zu tun!
Es sei doch wohl doch nur am kalten sowie nassem Wetter gelegen, welches diese aus warmen Gebieten kommenden Vögel nicht gewöhnt waren. Und ein weiterer Grund wäre sicherlich, dass bei solch extremen Temperaturschwankungen eben auch Insekten, Spinnen und anderes Kleingetier sterben und dann allen Insektenfressern nicht mehr zur Verfügung stünden. Vorsichtshalber gab er mir noch ein Desinfektionsmittel mit und riet mir ebenso dieses Mal alles im Nest Befindliche, wie z.B. die Mauerseglernester, die eventuell noch darin liegenden Eier und selbstverständlich alle toten Mauersegler heraus zu nehmen! Die Desinfektion sei einfach eine Sicherheitsmaßnahme, denn in den verschiedenen Kästen befänden sich wahrscheinlich viele tote Vögel. An eine Seuche irgendwelcher Art glaubte er nicht! Es lag wohl am schlechten und kaltem Wetter, dass die Tiere nicht genug Nahrung gefunden hatten, länger als normal hungerten, deshalb schwach und schwächer wurden und dann letztendlich verstarben. Nur so könnte 100%ig gewährleistet werden, dass die im nächsten Jahr neu anreisenden Mauersegler eine geordnete Mauerseglerbehausung vorfinden würden.
So rief ich also kurz vor Beendigung der Herbstferien beim Regensburger Gartenamt an und erbat mir diesmal zum wiederholten Mal den Hubsteiger für das Jahr 2013, um heuer noch in den Herbstferien die verwaisten Nester auszuräumen. Frau Neuger gelang es - trotzdem die Fahrer und Lenker des Hubsteigers im Urlaub waren - glücklicherweise mir Herrn Ferstl mit einem Helfer zu schicken. Pünktlich um 7.00 Uhr am Morgen fingen wir im Pausenhof der Haupt- und Förderschule an, die Kästen zu inspizieren, auszuräumen, ebenfalls die Nester herauszunehmen und dann die Kästen mit einem Mittel zu desinfizieren, das mir Herr Dr. Cronenberg bestellt hatte. Herr Ferstl und ich waren schon seit fast 9 Jahren so aufeinander eingespielt, dass es gar nicht so schwer war alle Pausenhöfe innerhalb 2 1/2 Stunden abzuarbeiten. Nur dieses Mal musste eben mehr gemacht werden als sonst: Herr Dr. Cronenberg hatte mir ans Herz gelegt, diesmal auch die Mauerseglernester und sonstiges, was sich im Kasten befindet rigoros herauszunehmen, ohne Rücksicht auf Verluste.
Ausgangsplatz |
Sonst hatte ich die Nester immer drin gelassen, aber heuer sollte vorsichtshalber alles entfernt werden, damit auch gar nichts "Altes" mehr drin wäre. Ich hatte ja auf den Bildern festgestellt, dass die verstorbene Familie arg gekotet hatte und das würden die anderen, verstorbenen Mauersegler sicherlich auch getan haben. Nun sind ja - dem Himmel sei Dank - die meisten Mauerseglernester sehr spärlich, will sagen nicht allzu üppig mit Nestern ausgestattet; denn man muss sich vor Augen führen, dass Mauersegler ja nur aus Dingen, die in der Luft herumfliegen ein Nest bauen können. Da wenig in der Luft herumfliegt, haben sie also auch nur geringes Baumaterial und somit fallen Mauerseglernester nicht sehr üppig aus!! Somit war das kein Problem. auszuräumen. Schwieriger war es das Spatzenstreu aus manchen Kästen zu entfernen. Selbst das Rotschwänzchennest im Großen Pausenhof musste dran glauben! Wir hatten es in den übrigen Jahren stets im Kasten gelassen und das Rotschwänzchen hat es uns jedes Jahr mit einer neuen Brut gedankt!
Auffällig war, dass einige Kästen gar nicht besetzt waren. Das war eigentlich in den letzten Jahr nie der Fall gewesen! Aber ich denke der Grund war womöglich, dass manche Mauersegler es wegen des unsteten Wetters im April schon nicht geschafft hatten nach Regensburg zu fliegen!
Die ganze Säuberungsaktion war sehr belastend, denn - wie ich schon vorher ahnte - waren in diesen Nestern auch doch sehr viele Mauersegler gestorben. Das für mich Bedrückendste war, dass eine Menge Mauersegler noch im Angesicht des Todes auf den Eiern im Nest saßen, als ob sie brüten würden und dann darauf gestorben waren. Wir hätten in diesem Jahr sehr, sehr viele Junge bekommen, denn die Eier lagen teilweise noch gänzlich unversehrt in den Kästen, manchmal bis zu 4 Eier!
Ich räumte also alle Kästen komplett aus, verstaute die toten Vögel in einem Sack (der später fast dreiviertel voll war! Aber man konnte diese verstorbenen Tiere ja nicht im Kasten lassen! Danach sprühte ich vorsichtig alle Kästen mit dem mitgebrachten Desinfektionsmittel sorgfältig aus. Die meisten Vögel waren alle bis aufs Gerippe verwest, nur wenige hatten schon auf ihrer geschlüpften Vogelbrut gesessen. Alles in allem kann man jetzt im Nachhinein sagen: Die Hälfte der Kolonie ist in diesem Jahr dem Wetter und den damit verbundenen Umständen zum Opfer gefallen. Traurig, aber Tatsache!
Da ich - als ich das Drama Ende Mai schon ahnte, oft zur Schule gegangen bin, um zu beobachten, ob nicht doch welche noch durchgekommen waren, wusste ich nach einigen Malen, dass heuer, also 2013 nur 12 kerngesunde, kräftige Mauersegler durchgekommen waren. Sie flogen bis zu ihrem Abflug jeden Tag über der Schule, stärkten ihre Flügel und bereiteten sich so vor für den langen Rückweg ins heiße Afrika.
Nachdem ich mich jetzt öfter mit Vogelkennern unterhielt über dieses Drama, tröstete man mich und machte mir Mut mit der Aussage: Jedes Mal, wenn es solch ein Unglück in der Natur gibt, kommt im darauffolgenden Jahr der Ausgleich, d.h. die Mauersegler werden wie gewohnt wiederkommen und dann versuchen den Verlust ihrer Gemeinschaft besonders gut und schnell auszugleichen.
Glauben wir alle fest daran und beobachten wir es im nächsten Jahr ganz genau! Weiterhin lasst uns hoffen, dass der Besondere Nistkasten wieder bezogen wird, denn das Anbringen einer Webcam ist nicht nötig, wenn keiner den Kasten bezieht!
Auf ein besseres Jahr, Ihre Webcambetreuerin Arlet Wills, Rin a.D.
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