Mein Tag mit dem Kleinen

(Bericht vom Dienstag, 18.08.2004, H. Rowinski, Rektorin a.D.)

Die Ereignisse am 18.08.2004 beschreibt die frühere Rektorin der HHGS:

Ich bekam an diesem Tag einen Anruf von Arndt Wills, Sohn der Schulleitung der HHGS: Kleiner Mauersegler in Gefahr, wurde von Eltern verlassen. Wir besprachen womit wir ihn füttern konnten (Rinderhack, mager)

Um 19.30 Uhr in der HHGS:

Wir schauen auf dem Bildschirm nach, aber Situation unverändert, keine Altvögel in Sicht, aber Jungvogel bewegt sich.

Am Nistkasten:

Rettung
Rettung!

Arndt Wills öffnet den Kasten, er überlässt es mir den Kleinen aus dem Kasten zu holen. Ich lange hinein und bekomme etwas Winziges zu fassen, das sich unerwartet vehement an etwas in seinem Nest festklammert. Ich muss sekundenlang, aber sanft auf das kleine Wesen einwirken, bis es endlich loslässt. Dann halte ich den Winzling in der Hand. Er fühlt sich kalt an, ist aber voller Energie und bettelt sofort um Futter. Er schnappt mit weit geöffnetem Schnabel nach Futter und scheint alle meine Finger verschlucken zu wollen; dabei "sirrt" er laut. Da er sich aber lebhaft hin und her bewegt, ist es nicht ganz einfach die vorgefertigten Futterbällchen in seinen Schnabel zu befördern. Er verschlingt vier Kügelchen (Rinderhack mit eingeweichten Beoperlen vermischt). Rasch erwärmt er sich in meiner Hand, in der er zufrieden vor sich hin sirrt. Wir beschließen ihn nicht mehr, wie geplant, ins Nest zurückzulegen, sondern ihn wegen Unterkühlungsgefahr mitzunehmen. In einer mit Papier ausgekleideten Schachtel liegt er während der Autofahrt und hält sich ganz ruhig. Bei Berührung mit der Hand wird er wieder lebhaft und sucht nach Futter.

Daheim bekommt er ein Nest:

Wohlfühlen
Herrmann fühlt sich wohl

Ein mit Schafwolle ausgekleidetes und einem weichen Baumwolltuch bedecktes Körbchen (Durchschnitt 11,5 cm), das auf einer mäßig warmen Wärmflasche liegt und von oben mit einer schwachen Schreibtischlampe angestrahlt wird. Darin fühlt sich der Winzling sofort wohl.

Er ist über und über mit Federkielen bedeckt, aus denen zum Teil 1mm langer, dunkler Flaum sprießt. Die gekielten Flügel sind ca.6cm lang, der künftige Schwanz ist 4mm lang, der ganze Vogel ca. 7,5cm bei eingezogenem Hals. Dieser ist verhältnismäßig lang und kahl, also rosarot, genauso der Bauch.

Den Hals streckt er, wenn er sich an verschiedenen Stellen putzen möchte, was er häufig tut, da ihn die sprießenden Kiele offensichtlich jucken. Die Augen sind geschlossen, der Kopf ist im Verhältnis zum Körper groß. Er liebt es sehr am Kopf "gekrault" zu werden und reagiert dabei mit lebhaftem "Sirren".

rosa Hals
Meine Güte ist der Hals rosa
Herrmann streckt sich
Klein-Herrmann streckt seinen Hals

Im warmen Nest geht es ihm sichtbar gut:

Er dehnt sich, breitet die Flügel aus, streckt mal den linken, mal den rechten Flügel oder hebt sich beide gleichzeitig nach oben; einmal flattert er ca. vier Sekunden lang, eine richtige Flatterübung ist das! Immer wieder dreht er sich im Nest herum. Er verschlingt noch einige "Bällchen" dann lösche ich das Licht. Sein Kropf am Hals ist voll. Eine, zumindest für mich, unruhige Nacht beginnt. Immer wieder stehe ich auf und sehe nach dem Rechten, entferne die Kotklümpchen, die am Nestrand rundherum gesetzt wurden (die Verdauung funktioniert also, die Klümpchen sind weiß, verschlossen und trocken). Ich schalte die Nachttischlampe für ein paar Minuten wieder an.

Der Kleine fühlt sich aber ohnehin warm an und sirrt wohlig, und das tut er auch schon, wenn ich mich dem Nest nähere. Wie gut, dass wir ihn mitgenommen haben!

Flüegel
Klein-Herrmann breitet seine Flügel aus
Gute Nacht!
Gute Nacht!

Die Ereignisse am 19.08.2004:

Ich mache mich auf Insektenjagd und erbeute rund um unser Haus zwei Heuhüpfer und sechs Fliegen, mehrere Mücken und eine kleine Spinne. Alles wird tagsüber mit Hackfleisch und Beoperlen vermischt und verfüttert. Das geschieht mühelos, da der Schnabel bei Berührung sich sofort weit öffnet, so dass der orangerote Schlund sichtbar wird.

Hunger!
Hunger, Hunger!
Sonne
Sonne ist schön!

Um 13.00 Uhr Fototermin:

Ich stelle das Körbchen mit dem Kleinen darin auf das Fensterbrett in die Sonne. Zunächst genießt er sie. Dann wird es ihm deutlich zu warm; er öffnet den Schnabel und hechelt, beginnt sich im Nest zu drehen bis er für den Kopf ein bisschen Schatten findet. Dann wird er wieder ruhiger. Nach dem Fotografieren nehme ich ihn aus dem Nest und halte ihn in der Hand. Er genießt die Handwärme und die Berührung, denn er sirrt unaufhörlich, so wie eine Katze bei Berührung schnurrt. Ich nehme mir Zeit und verwöhne ihn. Sobald ich ihn ins Nest zurücklegen möchte, krallt er sich mit seinen Füßen an meinen Fingern fest, so dass ich ihn weiterhin in der Hand behalte kraule, füttere und wärme. Er ist so schutzbedürftig und mir in diesen letzten Stunden ans Herz gewachsen. Es wird mir schwer fallen, ihn wieder herzugeben.

Es ist zu heiß!
Es ist zu heiß!
Schatten
Endlich im Schatten!

Um 17.30 Uhr kommt Arndt, um ihn abzuholen und nach Erlangen in die Vogelstation zu fahren. Er filmt den Kleinen, dann richten wir ihn mitsamt den Nest in einer Kühlbox (ohne Kühlbeutel!) ein, da es im Auto wegen hoher Außentemperatur heiß werden wird. Schweren Herzens verabschiede ich mich von dem kleinen Mauersegler. Hoffentlich wird alles gut!

so ging es weiter...

Stand: 07.03.2010 13:50
Mauersegler