Die Geschichte von Samir,
einem Mauerseglerbaby aus dem Saarland
Vorwort für angehende Vogelretter
Auf unserer Mauerseglerseite befindet sich neben den jährlichen, aktuellen Ereignissen, zahlreichen Fotos und Berichten auch unser Gästebuch. Hier nutzen viele Leser die Möglichkeit sich zu unserer Homepage - meistens sehr positiv - zu äußern. Aber auch so manche Frage wird darin an uns gestellt. Wir freuen uns wirklich über alle Beiträge. Jedoch behalten wir es uns vor Beiträge zu löschen, die absolut nichts mit der Mauersegler- WebCam zu tun haben oder nur hineingeschrieben werden, um angeblich witzig zu sein.
Noch einen Vorteil hat unser Gästebuch: Wir lernen Mauerseglerfreunde aus allen möglichen Teilen Deutschlands kennen oder erfahren Neuigkeiten über WebCams aus anderen Ländern.
In diesem Jahr fiel eine Besucherin aus dem Saarland auf durch nette Gästebucheinträge. Sie beobachtete eifrig unsere Mauersegler-WebCam-Page und war im Saarland zu Hause.
Britta-Gudrun Nau aus dem Saarland
Die Verbindung wurde enger, als sie in ihrem Garten ein Mauerseglerbaby fand, das aus dem Nest gefallenen war und das sie aufzuziehen versuchte.
Nun verlief der Meinungsaustausch nicht mehr über das Gästebuch sondern häufiger über die Mailaddresse, denn es gab viel zu erzählen, zu fragen und zu überlegen. Dabei entstand ein Life-Bericht über Samir, den sie mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Dass dieser Beitrag nun in unseren Homepage- Berichten mit aufgenommen wurde, soll alle, die auch je einen Mauersegler finden, veranlassen, sich nicht einfach abzuwenden mit dem Gedanken "da kann man ja eh nichts machen", sondern vielmehr ermuntern etwas zur Rettung des Vogelbabys zu unternehmen!
Jedoch: Einen Vogel zu retten ist das Eine, ihn aufzuziehen ist das Andere. Kein wahrer Vogelfreund wird sich wohl je abhalten lassen, einen Vogel retten zu wollen. Was das für den Vogelfreund heißt, kann man z.B. nachlesen unter in den Berichten von 1993 (Sirri), 2004 (Klein-Herrmann), 2005 (Zirpi) und 2006 (Findi, Schnäbelchen).
Freilich kann man - als einfachste Lösung - einen Findling in einer Vogelstation der nächsten Umgebung unterbringen. Doch solches Glück einer Vogelstation, wie wir Regensburger, hat nicht jeder. Jedoch Anlaufstellen in der Nähe des Fundortes gibt es im Internet genügend zu finden. Dort erfährt man auch, wer fachmännisch einen Ganztageseinsatz - Job zur Vogelaufzucht übernehmen kann oder an wen man sich in der Nähe seines Ortes am Besten wendet. Ebenso kann man im Internet nachlesen, wie man die ganze Angelegenheit am Besten anpackt.
Die weitaus schwierigere Entscheidung besteht darin, sich zu entschließen, das Tierchen selbst aufzupäppeln. Dass dies kein Kinderspiel ist und eine große Verantwortung vom Vogelfreund abverlangt, das kann sich jeder denken. Frau Britta-Gudrun Nau hatte den Mut und das Engagement! Ebenso stand sie als eine der vielen fleißigen Beobachterinnen unserer Mauersegler- WebCam von Beginn bis zum Ende ihrer Aufzucht von Samir auch mit der Mauerseglerschule in Verbindung und holte sich von dort bei uns Rat.
Dass wir ihren liebevoll geschriebenen Bericht und ihr gewissenhaft geführtes Aufzuchtsprotokoll in Form eines detailliertes Tagebuches unter den Berichten 2010 veröffentlichen, soll also dazu beitragen, etwaigen Mauersegler-Ziehmüttern eine konkrete Hilfestellung bei der Aufzucht eines - in unserem Fall - Mauerseglers zu geben.
Vielen Dank für Ihre wunderbare Arbeit, liebe Frau Nau! Sie machen allen Mut ein Mosaiksteinchen unserer Vogelwelt zu erhalten; wenn es auch nicht immer Mauersegler sind, die besonders bei uns, gerettet werden, so sollte man sich klar sein, dass jedes Tier es wert ist gerettet zu werden. Schon aus dem Gedanken heraus, dass unsere Nachkommen und Kinder die gleiche Freude am Tier und dessen Schönheit erleben sollen bzw. können wie wir.
Arlet Wills, Rektorin a.D.
Mauersegleraufzucht vom 27. Juni - 02. August 2010 Autorin Frau B. Nau
Der Mauersegler ist schon seit Jahrzehnten mein Lieblingszugvogel, weil mich seine außergewöhnlichen Flugmanöver (Ferrari der Lüfte!) und auch die geheimnisvolle Lebensweise so faszinieren.
Da seine Nist- und Brutmöglichkeiten durch die heutige voll isolierte Hausbauweise immer mehr verschwinden, ist mein Haus mit voller Absicht nicht so extrem isoliert worden, um neben meinen vielen Spatzen ebenfalls den Mauerseglern Nistmöglichkeiten unter der Regenrinne zwischen den Dachspalten zu ermöglichen. Zusätzlich wird deshalb im Garten ein Apfelbaum, der genau in ihrer Einflugschneise liegt, alljährlich im Frühjahr radikal gestutzt.
Was bei uns im Juni 2010 passierte, will ich nun der Reihe nach berichten.
Samstag, der 26. Juni: Ein besonderer Tag
Dieses Jahr hatte ich am 26.Juni ein besonderes Erlebnis:
Ein kleiner Mauersegler fiel aus dem Nest unter meinem Hausdach. Er überlebte aber nur, weil er weich in
einem darunter stehenden Blumenkübel landete. Seine beiden Geschwister hatten weniger Glück; sie lagen
leider nur zwei Finger breit daneben, aber tot auf den Hofplatten.
Es war Samstagabend und natürlich kein geeignetes Futter im Haus - nur noch etwas Vogelaufzuchtsfutter vom Vorjahr - übrig geblieben von meiner Spatzen- und Meisenrettung 2009.
Die ersten Bilder des Kleinen |
Große Hoffnung hatte ich keine für den Kleinen, da er noch völlig nackt war und ich ihn aufgrund meiner Beobachtungen in der Nistkastenkamera der Hans-Herrmann Grundschule in Regensburg auf cirka acht Tage alt schätzte und er leider nur 23g wog.
Erste Fütterung |
des vorbereiteten Mittagsmahles |
für das 23 gr kleine Lebewesen |
Aber es ist immer wieder ein Wunder zu sehen, welch einen Überlebenswillen so ein kleines, nacktes und noch blindes Wesen hat. Es nahm das ungewohnte Futter gierig an und überlebte somit schon einmal die ersten zwei immer - wie ich denke - kritischsten Tage und Nächte in einem kleinen ausgepolsterten Körbchen. Sein Ernährungszustand war auch gut, denn die Kotbällchen (Batzerl) waren vorbildlich in einem kleinen Säckchen geformt und auch kaum verändert während der ständigen Nahrungsumstellung.
Nachdem mit Wochenanfang die vorschriftsmäßige Fütterung mit Heimchen gewährleistet war, gedieh das Vögelchen prächtig und die anfänglichen mühsamen Zwangsfütterungen - zuerst ihm immer den Schnabel zu öffnen und dann das Futter hineinzustopfen - wurden wenige Tage später durch sein gieriges freiwilliges Sperren wesentlich einfacher!
Am Abend, nach einem intensiven Schläfchen, war der Appetit schon größer! |
In Anlehnung an seine afrikanische Heimat nannte ich meinen Findling "Samir". Das ist arabisch und bedeutet Prinz. Da ich aber nicht genau wusste, ob mein "Flattermann" vielleicht sogar ein Weibchen war, habe ich ihn auch manchmal Samira = Prinzessin (weibliche Form von Samir) getauft.
Wenn er mich hörte, kam er auch schon heftig mit den Flügelchen flatternd und piepsend aus seinem Körbchen gekrabbelt. Und nach der Fütterung kuschelte er sich zufrieden zirpend, mit aufgeregtem Flügelschlagen und Piepsen, in meine Hand und pickte mit seinem spitzen Schnäbelchen zwischen seinen winzigen Krallen oder meinen Fingern herum.
Liebend gerne wurde er herumgetragen, wobei wir auch viel am Fenster verweilt haben, damit er seine Artgenossen hörte, die wild schreiend ums Haus flogen.
Freitag, der 2.Juli: Wieder ein gefährlicher Tag
Im Laufe seiner Aufzucht gab es ein paar Mal kritische Situationen, die eventuell seinen raschen Tod hätten bedeuten können:
Sein Körbchen hatte ich anfangs mit Küchenkrepppapier ausgepolstert und zusätzlich zum Hineinkuscheln viele kleine Tempopapierfetzen gelegt. Davon hatte er, als er 12 Tage alt war, einen langen Streifen verschluckt, den ich aber noch rechtzeitig aus seinem Schlund herausziehen konnte. Sicherheitshalber habe ich dann auf diese zusätzliche Polsterung verzichtet und ihm stattdessen ein kleines Stofftierchen (als Geschwisterersatz) ins Nest gelegt, in das er sich stets gerne reingekuschelt, dahinter versteckt oder am Fell gepickt hat.
Kuscheln in der Hand ist angenehm, alleine und einsam im Nestchen nicht so gut |
aber später mit Stofftierchen ist das Leben toll! |
Dies sollte nicht die einzige, äußerst gefährliche Situation für meinen kleinen "Flattermann" sein!
Klein - Samirs Ruheplätzchen und Ronnie, der unverhofft zu Besuch kam |
Mein Mauersegler logierte auf dem Sofa in einer mit Handtüchern ausgepolsterten großen Katzentransportbox. Darin stand sein kleines Nestkörbchen, so dass er auch hinauskrabbeln konnte, ohne dabei herunterzufallen. Die Box wurde nur nachts mit dem abnehmbaren Oberteil fest verschlossen. Ein unverhoffter Besuch meiner Freundin mit großem Berner Sennhund verlief gottlob auch glimpflich, nachdem der Hund die Treppe wie ein geölter Blitz hinauf gerannt war, aber nur seinen Tennisball suchte und die offen stehende Vogelbehausung gar nicht beachtet hatte...
Aber es ging ja doch noch einmal gut.
Nach diesem Schreck schwor ich mir noch intensiver auf meinen Liebling aufzupassen, denn er war mir nun schon sehr ans Herz gewachsen.
Sonntag, der 4. Juli: Die Welt wird bunt
Ein großer Augenblick war der 14.Lebenstag, an dem er beide Augen öffnete: Zunächst sah man erst einmal nur einen kleinen Spalt an einem Auge offen und mit einem Tag Verzögerung öffnete sich auch das zweite Auge ein bisschen. Gut, dass bei Mauerseglern nicht wie bei Enten und Gänsen dadurch eine lebenslange Prägung auf den Menschen entsteht...
Einige Schnappschüsse im Juli
Neugierig blicken wir in die Welt |
Kriege ich bald was zum Futtern? |
Ich warte!!! |
Jetzt bin ich satt und müde! |
Besonderer Hinweis der Autorin, das Bild, rechts betreffend: Wenn man genau hinschaut, sieht man links neben Samir ein vorbildlich geformtes Kotbällchen in einer weißen Hülle liegen.
Als weitere Beobachtung - die Frau Wills übrigens ebenso bei der Aufzucht ihrer gefundener Mauersegler kennen lernte- waren sehr oft nach der Fütterung außergewöhnliche Sirrlaute zu hören, die der Mauersegler wahrscheinlich als Wohlfühllaute von sich gibt und die schwer zu beschreiben sind. Es klingt wie ein leises sisisisis, ist aber nicht vergleichbar mit einem Piepsen, wie man es von anderen Vögeln kennt.
Ebenso spannend anzusehen waren auch seine ersten noch ungeschickten Versuche sich zu putzen oder am Köpfchen zu kratzen, wobei er dann oftmals umfiel.
Mittwoch, der 21. Juli: Ein sorgenvoller Tag mit Samir
Wildvogelaufzucht ist aber nicht nur eitel Wonne und Sonnenschein, das musste auch ich schmerzhaft erfahren. Ich war so glücklich, weil er so prächtig gedieh. Seine Federn wurden dichter und immer länger, er nahm zu an Gewicht und sein Appetit auf das Heimchenfutter war enorm.
Messergebnis: GUT |
Wiegen: AUSGEZEICHNET! |
Batzi: PRÄCHTIG! |
Eigentlich fing der Tag ganz gut an. Der Kleine war satt, saß neugierig am Fenster, kuschelte mit seinem Stofftier, aber dann sah ich, dass er plötzlich beim Krabbeln taumelte, unentwegt und sehr heftig piepste. Ich erschrak furchtbar und war völlig verzweifelt über diesen veränderten Zustand.
Ich hatte von meiner Tierärztin ein Vitaminspray empfohlen bekommen, um den Kleinen möglichst in seinem Wachstum zu einem prächtigen Mauersegler noch mehr zu unterstützen, was ich ihm auch einmal täglich mit seinem Futter verabreicht habe. Sollte das vielleicht die Ursache sein?!
Meine Vermutung war richtig. Dieses Multivitaminpräparat erwies sich später als ungeeignet und war schuld daran, dass er an seinem 29. Lebenstag plötzlich außergewöhnliche Verrenkungen mit seitlich gehaltenem Köpfchen und - was noch schlimmer aussah - einen Linksdrall beim Krabbeln bekam. Außerdem zeigte er gelegentlich eine stark überstreckte Kopfhaltung Richtung Rücken.
Bei meiner sofortigen telefonischen Nachfrage, teilte mir Frau Bettinger aus Morschholz - eine engagierte Mauersegleraufzucht- Expertin - mit, dass all diese für mich rätselhaften Erscheinungen auf einen Vitamin B-Mangel hindeuten würden.
Zwei weitere Tage - in Angst und Sorge um meinen kleinen Zögling - musste ich aushalten, bis es ihm mit dem neuen Vitamin B Komplexpräparat zusehends besser ging. Sein Aktionsradius mit Umherkrabbeln auf dem Sofa, einer Decke oder auf dem Teppichboden wurde von Stunde zu Stunde immer größer und schon bald war alles überstanden und ich erleichtert.
Im Hinblick (für etwaige Mauersegler- Ziehmütter) auf die damals gravierende Verschlechterung durch Vitamin- B Mangel möchte ich erwähnen, dass es dafür 1-2 Tage davor Vorzeichen gab, die ich aber nicht so ernst genommen hatte. Seine immer schlechter werdende Körper- Koordinationen zeigten sich - wichtig für alle, die ebenfalls mal Mauersegler aufziehen wollen bzw. müssen - dahingehend, dass er seinen Kot nicht mehr außerhalb seines Schlafplatzes absetzte, sondern gerade da, wo er lag. Völlig atypisch, denn vorher hatte er den Kotabsatz immer sehr reinlich bewerkstelligt, sowohl über seinen Körbchenrand als auch außerhalb der Decke, wo er später häufig lag. Stets rutschte er dabei rückwärts bis zum Sofarand und spritzte das Batzerl auf den Boden, wo es auf dem ausgelegten Küchenkrepp landete. Auch sein etwas unkoordiniertes Schnappen nach dem Futter mit wackelndem Köpfchen hatte ich fälschlicherweise als extreme Futtergier interpretiert. Na, für das nächste Mal würde ich das jetzt wissen!
Doch dem Himmel sei Dank, alles ging noch einmal gut aus.
Freitag, der 30. Juli: Ich hole mir erneut Hilfe bei der Mauerseglerschule
Über die Kommentarfunktion bei der Nistkastenkamera in Regensburg hatte ich zwischenzeitlich Kontakt zu Frau Wills aufgenommen, um über die Flügel- und Federentwicklung sowie das erforderliche Gewicht für die Freilassung mehr zu erfahren. Denn - nach diesem glücklich überstandenen Krankheitsabenteuer rechnete ich etwa für Anfang August mit dem endgültigen Abflug meines Schützlings, der meiner Vermutung nach ungefähr gleich alt wie der Kleine aus dem Regensburger Nistkasten sein musste.
Um meinem Mauersegler noch mehr Entwicklungsreize zu bieten, hatte ich ihm einige Tage vor seiner Freilassung das Sofa direkt vor das Fenster gerückt, so dass er aus seinem Körbchen über die Wolldecke klettern konnte. Letzteres sollte sozusagen als Aufstieghilfe über der Lehne liegend, dienen. So war gewährleistet, dass er auch selbstständig seinen Ausguckplatz am Fenster erklettern konnte. Auch im Sirri- Bericht der Mauerseglerschule konnte ich alles nochmals nachlesen, was wichtig für das Muskeltraining ist, laut Tipp von Frau Wills. Auch mein Vogel machte von diesem Ausblick in die große weite Welt ausgiebig Gebrauch und beobachtete sirrend, manchmal auch ganz still , mit großer Neugier draußen seine Außenwelt. Jeden Vogel am Himmel oder Fliege am Fenster fixierte er mit leicht geneigtem Köpfchen.
Große Raben machten ihm aber Angst, wie ich öfter beobachten konnte.
Nach seiner Gesundung kuschelte Samir gerne mit einem neuen Pelztier und machte sich mit der Außenwelt vertraut. |
Weiterhin lag noch eine dicke Wolldecke zusätzlich auf der Fensterbank und ein etwas größerer Teddybär. So hatte er stets sicheren Halt, wobei zu erwähnen ist, dass der Kleine den Teddybären bevorzugte! Natürlich habe ich auch darauf geachtet, dass zu diesem Zeitpunkt keine direkte Sonneneinstrahlung an dem besagten Fenster bestand.
31. Juli: Der erste Freiflug im Zimmer
Inzwischen war Samir zu einem stattlichen Mauersegler herangewachsen. Es war wohl absehbar, dass mein Ziehkind irgendwann auch mal seine Flügelchen in Bewegung setzen würde.
Aus dem ehemaligen Kleinen war ein kräftiger, wunderschöner Mauersegler herangewachsen, der immer öfter sich ans Fenster setzte und Ausschau hielt. |
Zeitweise setzte ich ihn auf die Hand und ließ ihn vor dem geschlossenen Fenster seine zukünftige Außenwelt beobachten. Vielleicht war das ja auch eine Hilfe für ihn, sich langsam, aber sicher von seiner begrenzten Raumvorstellung zu lösen und sich an die große weite Welt zu gewöhnen.
Die große Welt lernte Samir in seiner fünfwöchigen Aufzuchtszeit auch schon ein wenig bei Autofahrten ins Büro kennen, wo ich einmal wöchentlich ehrenamtlich tätig bin und ihn mitnehmen musste, um seine Fütterungszeiten einhalten zu können. Die Autofahrten hat Samir übrigens erstaunlich gelassen hingenommen und dabei gut gelaunt und munter seine sirrenden Laute hören lassen.
Hier sitzt er auf der Hand meiner Freundin Dorle, die tief berührt war von diesem hautnahen Erlebnis mit meinem prachtvollen Mauersegler.
Im Alter von 42 Tagen war es dann wohl - für mich schon überraschend - soweit. |
Der ganze Tag war ruhig verlaufen, jedoch ausnahmsweise an diesem Abend hatte ich ihn noch nicht- wie sonst- in seine Box verfrachtet, weil er vorher unruhig an deren Verschluss gekratzt hatte. Ich saß in einem anderen Zimmer derweil am PC, als ich ein klatschendes Geräusch hörte. Erschreckt lief ich ins andere Zimmer.
Was war passiert?
Der Kleine war im Dunkeln losgestartet und gegen eine Tür geflogen. Laut schreiend, mit weit geöffnetem Schnabel, lag er am Boden. Sollte damit meine ganze Mühe mit ihm vergeblich gewesen sein?
Nachdem ich ihm schnellstens ein wenig Wasser eingeträufelt und vorsichtig massiert hatte, beruhigte er sich langsam wieder.
Und ich auch! In dieser Nacht habe ich ihn in seiner Box mit ins Bett genommen, um ihn besser bewachen zu können. Gerne nahm ich eine schlaflose Nacht mit ihm in Kauf, weil er sich fast stündlich heftig kratzend und piepsend meldete. Erschöpft schliefen wir jedoch beide nach diesem Schrecken tief und fest dann doch ein, bis mich sein heftiges Flügelschlagen aufweckte.
Angstvoll erinnerte ich mich, dass mein Mauerseglerchen die ganze vorherige Woche schon viele Flatter- und Stemmübungen gemacht hatte, bei denen er sogar manchmal vor Anstrengung etwas hechelte. Was konnte diese Unruhe nun wieder bedeuten? Wollte er seine Freiheit? Sollte ich ihn frei lassen?
Ich war sehr unsicher und beschloss mit der Mauerseglerexpertin Frau Bettinger mich telefonisch zu beraten. Sollte ich ihm vielleicht schon frei lassen???
1.August: Ein echt ungemütlicher, trüber Tag
Bei so einem miesen Wetter flieg' ich nicht; aber daheim ist's schöner! |
Frau Bettinger riet mir jedoch bei solch miesem Wetter von einer Freilassung ab. Da sich das Wetter jedoch am Nachmittag besserte, versuchte ich es doch auf einer großen und schräg abfallenden Wiese.
Mein Zögling saß fast zehn Minuten ganz entspannt auf meiner Hand, machte aber keine Anstalten um wegzufliegen. Somit beugte ich mich seinem Willen und wir brachen das Ausflugmanöver ab.
Dann sollte es halt heute nicht sein und Samir seinen Willen bekommen!
Um nun für den nächsten Start tatsächlich fit zu sein, hieß es ein paar Flugübungen mehr zu machen. Vielleicht klappte es dann beim nächsten Mal besser mit dem Abflug! Denn auch für einen kleinen Vogel gilt: Übung macht den Meister!
Flugübung 1: Flügel zuerst ausstrecken, dann |
Flugübung 2: Flügel in die Höhe strecken und das Ganze gleich ein paar Mal. |
2.August: Wir probieren es noch mal
Am nächsten Vormittag saß mein Jungvogel wieder - wie gewohnt - ganz ruhig am Fenster und beobachtete, was draußen geschah. Doch plötzlich flatterte er mehrfach sehr heftig, landete zuerst auf dem Telefon, um nach einer kleinen Verschnaufpause mit einem Sprung auf der Sofalehne zu landen.
Seht ihr alle meine Flügelspannweite? |
Und auf dem Sofa geht's noch besser! |
Das schien aber nicht ganz in seinem Sinn zu sein, denn plötzlich gelang ihm ein neuer Start zur Fensterscheibe hin. Dort blieb er aber nicht ruhig - wie sonst - sitzen, sondern flog an ihr hoch, um sich dann plötzlich seitlich drehend, durch das gesamte Wohnzimmer in das nächste Zimmer hinein. Dort landete er an der zugezogenen Gardine (ein Sicherheitstipp von Frau Wills), rutschte aber ab und fiel zu Boden. Bevor ich ihn aufheben konnte, drehte er sich schon wieder Richtung Wohnzimmer um und flog - dieses Mal sogar vom Boden aus startend !!! wieder an seinen Fensterplatz , ohne zu beachten, dass er auch dort dann etwas unsanft landete und abrutschte.
Ich kann fliegen!!! |
Nach diesen Erlebnissen schien mir, dass wohl mit dem heutigen Tag - übrigens seinem 44. Lebenstag - wohl auch nicht unbedingt der günstigste Zeitpunkt zur Freilassung gekommen war. Denn diese Art von Flugmanövern in der Wohnung sind sehr gefährlich, wie ich von Frau Polaschek, einer ehemaligen Mitarbeiterin in der Mauersegleraufzuchtsstation in Frankfurt, wusste.
Da ich neben dem größeren Bewegungsdrang aber auch schon seit etwa drei Tagen ein verringertes Fressverhalten bemerkt hatte, wog ich ihn mal sicherheitshalber. Und wirklich: Es war von 46 g auf 42 g gesunken! Weniger solle er nicht wiegen, laut Aussage der ebenfalls sehr hilfreichen Vogelkundlerin.
Danach beschloss ich mit dem Vogel in der Mittagszeit - dieses Mal bei strahlendem Sonnenschein - den 2. Auswilderungsversuch zu unternehmen.
Schön ist's hier! |
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Doch sehr wir uns auch beide bemühten, es war erfolglos. Er genoss es auf meiner Hand die Umgebung anzuschauen, dachte aber nicht im geringsten daran, loszufliegen.
Da aller guten Dinge DREI sind, beschloss ich es noch einmal mit ihm am Nachmittag gegen 16.00 Uhr zu versuchen.
Der endgültige Abschied
Beim 3. Versuch, gegen 16 Uhr, setzte ich ihn also wieder mal auf meine Hand und .... er rührte sich nicht und blieb ruhig darauf sitzen.. Sollte er doch nicht in die Freiheit fliegen wollen? Nach einer Weile, ich hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als er sich ganz plötzlich von meiner Hand abstieß und relativ dicht über die Wiese fliegend, dann in einem weiten Bogen ansteigend, in die Lüfte schwang.
Traurig über den Abschied, aber auch sehr erleichtert über seine erfolgreiche Freilassung kann ich nur hoffen, dass er den Weg nach Afrika geschafft hat, denn leider waren weder bei seinem Abflug, noch an den Tagen davor und danach andere Mauersegler mehr zu sehen
Samir, it's time for Africa! |
Schlussbemerkung der Verfasserin dieses Berichts:
Abschließend zu meinen Erfahrungen möchte ich sagen, dass man sich bei einem solchen Vorhaben auf viel Zeitaufwand einstellen muss. Bei 10-12 täglichen Fütterungen bleibt nicht viel Freizeit übrig und längere Abwesenheiten müssen gut geplant sein. Jede, auch nur scheinbar harmlose, Verhaltensveränderung muss beachtet werden, um ggf. schnell für Hilfe zu sorgen. Bei meinem Mauersegler war es die ausbleibende Kotabsetzung außerhalb des Schlafplatzes, die mit seinem eingeschränkten Koordinations- und Bewegungseinschränkung infolge des Vitamin- B Mangels zusammenhing.
Stimmen die Rahmenbedingungen und die eigene Einsatzbereitschaft, bereitet die Aufzucht große Freude und Beglückung mit unvergesslichen Erlebnissen über die Verhaltensweise und Entwicklung vom kleinen nackten Nestling bis hin zu dem wunderschönen und stolzen "Nomaden der Lüfte" - meinen geliebten Mauerseglern.
gez. Britta-Gudrun Nau