Die 10. und 11. Unterrichtstunde
In dieser Unterrichtsstunde ging es - wie man so schön sagt - "ans Eingemachte". Meine Leihschüler waren absolut nicht erfreut, als ich sie bat, - entgegen unserer sonstigen Erzählrunde - sich an ihre Einzeltische zu setzen, den Füller zu zücken und mein MS-Expertentestblatt zu bearbeiten. Heute sollten sie uns nur beweisen, dass sie in den vorangegangenen Wochen und Stunden etwas gelernt hatten. Schnell herrschte eine ungewohnte Stille im Klassenzimmer und man konnte sehen, wie sehr sie sich anstrengten der Klassenlehrerin und mir zu beweisen, dass sie eine Menge über den Mauersegler wussten. Da heute trübes Wetter war, wurden sie auch nicht abgelenkt durch Mauersegler, die an ihren Fenstern vorbeiflogen oder durch Schreie junger Mauersegler, die eventuell eine Screaming Party abhielten.
Alle versuchen eifrig die Fragen des Tests zu beantworten |
Keiner soll glauben, dass wir beiden Lehrer nicht mit ihnen fühlten. Ich für meinen Teil fragte mich natürlich, wie viele der Klasse 4b das Expertendiplom wohl erhalten würden?!
Denn eines hatte ihnen auch Frau Weininger klar und deutlich schon vorher gesagt: "Geschenkt wird euch nichts!" Und ich fügte noch hinzu: "Alles was hier abgefragt wird, haben wir noch in der letzten Unterrichtsstunde wiederholt. Ihr erinnert euch doch sicherlich an mein Erstaunen, dass ihr fast alle Fragen beantworten konntet!
Nach einer halben Stunde hatte auch der letzte - sichtlich erleichtert sein Blatt abgegeben.
Während die Klasse nun weiter mit ihrer Klassenlehrerin den gewohnten Unterrichtsstoff bearbeitete, korrigierte ich inzwischen schnell die Testblätter. Das fiel mir natürlich nicht allzu schwer, hatte ich den Test mir doch selbst ausgedacht. Außerdem wusste ich genau, was ich davon beantwortet haben wollte. So war es möglich noch vor Ablauf der Unterrichtsstunde Frau Weininger die Tests zu übergeben, versehen mit den erreichten Punkten. Am nächsten Montag würde dann der mündliche, zweite Teil des Mauersegler-Expertentests folgen.
Jeder der Leser wird verstehen, dass an dieser Stelle die Tests nicht abgebildet werden können. Aber wer die vorhergegangenen Stunden durchliest, könnte sicherlich viele Testfragen beantworten!
An diesem Tag hatten die Schüler genügend getan für die Mauerseglerausbildung und Frau Wills durfte auch gehen und sich ausruhen.
Am Montag darauf, also eine Woche später, hatte Frau Weininger schon alle schriftlichen Ergebnisse in ihre Liste eingetragen. Heute folgte der mündliche Testteil der Expertenprüfung. Jeder Schüler wurde von mir herausgeholt, ihm die gleichen Fragen über Mauersegler und Schwalben gestellt, die er dann beantworten musste. Hatte er sie richtig, so erhielt er für jede richtig beantwortete Frage einen Punkt. Wer alle Fragen beantworten konnte, war selbstverständlich im Vorteil. Auf diese Weise konnte er sein schriftliches Ergebnis noch erheblich verbessern und sich eventuell neben der Urkunde auch noch einen Belohnungspreis erkämpfen.
Da es heute insgesamt nur 8 Schüler waren (die anderen waren krank gemeldet), reichte für die mündliche Prüfung diese Stunde zum Abzufragen. Danach meldete ich der Klassenlehrerin die erlangte Punktzahl jeden Schülers, die sie sich schnell auf ihrer Liste notierte.
Zum Ausklang des heutigen, Leistung fordernden Tages, betrachteten die Schüler noch die mitgebrachten Eier mancher Vögel. Darum hatten sie mich in der vorangegangenen Stunde gebeten, weil sie nicht sicher waren, was ich mit elliptischer Mauerseglereiform gemeint hatte. Begeistert war ich nicht davon, denn ich hatte ganz zu Anfang der Mauerseglerstunden auch schon mehrere, ausgeblasene Eier in meinem großen Rollkoffer transportiert. Jedoch war dieser aus Versehen umgekippt und gerade eines meiner wertvollen Mauerseglereier war zerbrochen. Aber der Lernwille der Klasse 4b war es mir denn doch wert es - wenn auch vorsichtig - nochmals zu probieren. Sie staunten nicht schlecht, als sie das große Taubenei, das sehr kleine Kohlmeisenei und das etwas größere Nymphensittichei im Vergleich zum Mauerseglerei sahen.
Wer kennt diese Eier und kann sie dem oben angegebenem Vogel zuordnen? |
Ebenso erfuhren sie an diesem Tag, dass es auch Feinde des Mauerseglers gibt. Als erstes nannte ich natürlich den Mensch, der durch Sanierung von Gebäuden oder Abrisse derselben die dem Mauersegler gewohnte Behausung raubte. Dass der Marder ein Feind sein könnte, akzeptierten sie noch. Aber als ich auch berichtete, dass sogar Ratten sich nicht scheuten Mauersegler zu verzehren, wollten sie mir das fast nicht glauben.
Als letztes hatte ich noch eine geheimnisvolle Schachtel mit kleinen, schwarzen Kugeln und spinnenartigen Tieren mitgebracht. Sehr interessiert, betrachteten die Schüler den Inhalt. Diese "Dinger" schauen nicht gerade angenehm aus und ich fügte hinzu: "Wenn sie beißen, juckt es fürchterlich!"
Wohlweislich war die Schachtel mit diesem Ungeziefer zugeklebt, damit auch ja nichts herausfallen konnte. Alle rätselten, was das sein könnte. Die wildesten Überlegungen wurden gemacht. Schnell war das Rätsel gelöst. Die Schüler erfuhren, dass es sich um Lausfliegen handelte. Diese Blutsauger sitzen teils im Gefieder des Vogels, teils verstecken sie sich aber auch im Nest.
Lausfliegen und deren Larven sind etwas ekelig! |
Unter der Lupe |
Ich erzählte ihnen noch mehr von diesen "Quälgeistern". Wenn sie Hunger haben, greifen sie den armen Mauersegler an saugen wie ein Vampir sein Blut, um ihren Hunger zu stillen. Ihr Biss juckt und wahrscheinlich schmerzt es den Mauersegler. Er versucht sich dieses Tieres durch Kratzen und Schütteln zu entledigen. Das gelingt ihm aber nicht, denn die Lausfliege ist beharrlich und krallt sich fest. Erstaunlicherweise werden sie nicht von den Mauerseglern verspeist Jedes Jahr bei der Nistkastensäuberung passe ich höllisch auf, dass alles Ungeziefer aus dem Kasten entfernt wird. In alle Nischen und Ritzen des Kastens gehe ich mit dem Staubsauger hinein und denke immer, dass mir kein einziger Quälgeist entkommen kann. Aber - trotz der intensiven Säuberung - erscheinen diese Quälgeister immer wieder im Nest. Interessant ist, dass diese Schmarotzer in der Mauerseglerwohnung der Martinets immer wieder auftauchen, während die Herrmann-Familie kaum welche vorzuweisen hat. Ich denke, dass manche Mauersegler sie von Afrika her mitbringen, kann dies zwar nicht beweisen. Aber eine andere Erklärung finde ich einfach nicht.
Das verlassene Nest der Familie Martinet, in dem es nur so wimmelt von schwarzen Lausfliegenlarven. |
Am Ende der Stunde teilte ich Frau Weininger die erreichten Punkte von jedem Schüler mit, die sie schnell in ihre Liste eintrug. Im Laufe der Woche würde sie den schriftlichen und den mündlichen Part von jedem Schüler zusammenzählen, die gesamte Punktzahl ermitteln und diese ins schon vorbereitete Dokument eintragen.
Am nächsten Montag werden wir alle endlich erfahren, wer in dieser Klasse ein Mauerseglerexperte geworden ist. Wir hoffen von ganzem Herzen, dass es alle geschafft haben, wir möglichst viele Mauerseglerexperten ausgebildet haben und sich unser Einsatz gelohnt hat.