Der Abschied
5.8.2005
Im Tagebuch ist weiter zu lesen:
"Er frisst insgesamt nicht so viel wie sonst, bettelt aber um viele Streichel- und Krauleinheiten
und sitzt gerne in seinem Nest am Fenster, um die Umgebung zu "erkunden". Ich will ihm wieder
einmal das beigefarbene Ungeziefer, das auf seinem Rücken aufgetaucht ist, entfernen. Doch da
faucht er mich an, solche Berührungen liebt er absolut nicht.
Gegen 21.00 Uhr macht er besonders lange, kraftvolle Flatterübungen. Dann beruhige ich ihn wieder durch meine Hand. Dabei hält sich am Pulli fest. Ich bin nicht so begeistert, da seine spitzen Krallen dem Pulli nicht allzu gut tun!
Die Ziehmutter amüsiert sich |
In der Hand ist es doch noch am Schönsten |
Als ich ihn dann in die Box zur Nacht bette, klettert er sofort wieder hoch- ein kleiner Dickkopf, der das, was er in seinem Köpfchen sich einbildet, auch durchführt.
Für den nächsten Tag ist eine kurze Schönwetterperiode angesagt. Zirpie ist jetzt schon sehr groß und wirkt sehr erwachsen. Frau Wills hat mir gemeldet, dass die Mauersegler der HHGS sich sicherlich bald auf den Weg machen wollen. Bei diesem bislang schlechten Wetter ist die Gefahr natürlich besonders groß, dass Zirpie den Anschluss an seine Kameraden verliert. Und das wollen wir ja alle nicht!"
Freitag, der 5.08.2005
Heute ist das Wetter gut, wenn auch nicht allzu warm. Ich erfahre, dass die Luftbewegungen anhalten, was ja für Zirpie sehr gut wäre. Nur die Mauersegler sind noch nicht über der HHGS zu sehen! Sie werden in den letzten Tagen ihr Futter ein bisschen weiter entfernt gejagt haben, nämlich da, wo es wärmer als in Regensburg war. Sie können ja bis zu 100km weiter wegfliegen, um dann am Abend wieder an ihre vertrauten Plätze zurückzukehren. Frau Wills und ich beschließen den Vogel starten zu lassen, wenn sie an diesem Tag in der Schule erscheinen. Frühmorgens frisst er noch 7 Heimchen, gegen 11.00 Uhr noch ein paar. In der Zwischenzeit schlüpft er entweder in seine Höhle oder er lässt sich streicheln.
Noch ein paar Schnappschüsse werden von meinem ausgewachsenen Mauersegler gemacht.
Ein letzter Blick in die nahe Freiheit |
Zirpie, ein wunderschöner, ausgewachsener Mauersegler |
Um 11.00 kommt der Anruf: Um die HHGS fliegen Schwalben und Mauersegler. Außerdem ist laut Wetterbericht für die nächste Zeit wieder eine Schlechtwetterperiode angekündigt, d.h. Zirpie muss es heute versuchen.
Schnell packe ich ihn ins Auto. Während der Autofahrt höre ich sein lautes Gezirpel. Das Motorengeräusch scheint ihn anzuregen. Oder hat er schon eine Vorahnung?
In der Schule frisst er- wenn auch widerwillig noch zwei Heimchen, dann machen wir uns auf den Weg zum Sportplatz. Unterdessen erfahre ich, dass die Mittelbayerische Zeitung auch dabei sein wird. Zufällig wurde die Schulleitung angerufen und man fragte, ob sich in Sachen Mauersegler vielleicht etwas täte, um einen Bericht darüber zu schreiben?! Als die junge Journalistin dann hörte, dass heute unser Zirpie in die Freiheit gelassen wird, bittet sie so lange damit zu warten, bis sie an der Schule ist.
Alle sind endlich auf dem Fußballplatz versammelt. Zirpie zittert wieder- ich bin sicher, dass er doch etwas spürt. Ich setze ihn auf meine flache Hand, Arndt Wills filmt, Frau Wills fotografiert und dann strecke ich die Hand etwas höher. Ich fühle wie er innerlich vibriert. Plötzlich gleitet etwas Heißes an meinem Arm herunter, wie schon oft, hat er beim Flattern ein Batzerl runterfallen gelassen. Frau Wills wischt es ab, ich lasse die Hand ein klein wenig sinken- da hebt Zirpie ab und fliegt los. Erst geht es mehr abwärts als aufwärts. Beide, Frau Wills und ich glauben schon, dass der Vogel es nicht packt. Wie fasziniert beobachten wir wie er nach Norden abdreht, immer noch sehr tief fliegend. Wir würden ihn doch nicht auf der frisch geschnittenen Fußballwiese wieder einsammeln müssen?
Da, plötzlich - man sieht es richtig- bekommt der kleine Mauersegler Luft unter seine Flügel, er schraubt sich hoch, immer höher. Bald hat er Baumhöhe erreicht, da kommt zufällig ein Schwarm Schwalben vorbei. Eine löst sich aus ihrer Gruppe und steuert Zirpie an. Doch der kümmert sich nicht darum, sondern überfliegt einen Baum, schraubt sich weiter höher und fängt nun an Kunststücke zu vollführen. Er wechselt die Flugrichtung, segelt nach links, nach rechts, lässt sich ein wenig fallen um gleich wieder ein wenig zu flattern und mithilfe der Luftbewegung zu segeln. Man sieht ihm an, welche Freude ihm das Fliegen macht. Er segelt jetzt Richtung Nord-Osten, wohl um das Hauptschulgebäude zu überfliegen, dreht noch einige Runden und dann verlieren wir ihn aus den Augen.
Der Abflug |
Zirpie, leb wohl! |
"Behüt dich Gott, Zirpie", denke ich teils erleichtert über den geglückten Start, teil in Sorge über sein weiteres Schicksal.
Am nächsten Tag - so berichtete mir Arlet Wills, jetzige Rektorin der HHGS - waren allen Mauersegler, die sich Tags zuvor noch über dem Grundschulgebäude getummelt hatten, verschwunden. Die Mauerseglersaison 2005 war glücklich beendet.