Vorwort der Autorin:
Zu Beginn des Jahres 2003 wurde ich von Herrn Dipl.-Geogr. Wolfgang Nerb, Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. von der Bezirksgeschäftsstelle Oberpfalz, gebeten die "Mauersegler-Aktivitäten" in einem kleinen Bericht für das Magazin für Arten -und Biotopschutz zusammen zu schreiben. Er fände es sehr interessant, wenn auf diese Weise auch andere Vogelschützer sehen könnten, was man so alles in der Schule tun könne, um gefährdete Vögel zu schützen.
Ich müsste lügen, wenn ich jetzt nicht zugeben würde, dass ich als Schulleiterin solch eine Anfrage selbstverständlich als Ehrung für unsere Schule auffasste. Ich meinte jedoch gleich, dass solch ein Bericht nicht mit ein paar Sätzen abgetan wäre. Herr Nerb beruhigte mich und meinte, dass ich mal beginnen solle, gestrichen würde schon von selber, ohne mein Zutun.
So machte ich mich also daran und schrieb nicht nur für alle an der Natur interessierten Vogelschützer, sondern auch, um den jetzigen Eltern unserer Schule aufzeigen zu können, was sich im Laufe der letzten zehn Jahre an unserer Grundschule abgespielt hatte. Es wurde ein langer Bericht, trotzdem ich mich so bemüht hatte wenig zu schreiben. Erstaunlicherweise - und dafür möchte ich hier an dieser Stelle mich nochmals bei der Redaktion recht herzlich bedanken - wurden nur 2 bis 3 Sätze gestrichen und der gesamte Bericht wortwörtlich übernommen, trotz der enormen Länge! Vielleicht finden wir dadurch noch ein paar Gleichgesinnte mehr?!
A. Wills, Rektorin der HHGS
Aktiver Mauerseglerschutz an der Hans-Herrmann-Grundschule in Regensburg
Die Schülerinnen und Schüler der Hans-Herrmann-Grundschule in Regensburg kümmern sich seit Jahren unter gezielter Anleitung ihrer Lehrer und Lehrerinnen um den "Mauersegler, den Vogel des Jahres 2003".
Ausgangspunkt war eine Beobachtung im Jahre 1997 bei der Renovierung der Dachstühle von Mehrfamilienhäusern in der Nähe unserer Schule, in denen viele unserer Kinder wohnen. Dort wurden während der Brutzeit der Mauersegler die Öffnungen zwischen Dachziegeln und Außenmauer mit Draht verschlossen, um so den Einflug in die Dachböden und eventuelle Schmutzverbreitung zu verhindern. Die Folge war, dass viele junge Mauersegler verhungerten, weil sie nicht mehr von ihren Eltern gefüttert werden konnten. Ihre Kadaver lagen nun auf den Dachböden, wurden von einigen Schülerinnen und Schülern gefunden und zur Schule gebracht. Die Kinder waren betroffen und die Fragen nach den Ursachen kamen von allein. Nachdem wir die toten Tiere als Mauersegler identifiziert hatten, wurde den Schülern bewusst, dass wir an unserem Schulgebäude in den außen angebrachten Rollladenkästen auch eine große Mauerseglerkolonie beherbergten. Gleichzeitig - auf Grund aktuell erlebten Ereignisse - kam sofort die Frage: Was geschieht mit unserer Mauerseglerkolonie, wenn die Schule saniert wird? Die alten Rollladenkästen würden erneuert und somit die seit 40 Jahren bestehenden Mauerseglernistplätze entfernt werden! Hier musste also gehandelt werden!
Deshalb versuchten wir im Heimat- und Sachkunde-Unterricht bei den Kindern allgemein unter dem Motto "Vögel im, am und um das Schulgebäude der HHGS" ein Gefühl für Vögel anzubahnen. Dabei halfen uns die fach- und kindgerechten Vogelvorstellungen des LBV, die jährlich in den Schulen durchgeführt und von den Schülern (und von der Presse) mit Begeisterung aufgenommen werden. Danach erarbeiteten wir speziell Daten und Fakten über den Mauersegler und beobachteten ihn nun bewusster, wenn er in den Pausen über unsere Köpfe hinwegsauste. Fragen über Fragen stellten die Kinder: Wo lebt er? Wie sieht er aus? Was frisst er? Wohin zieht er? Wann ist er bei uns? Wo nistet er? Wie zieht er seine Jungen groß? Wie lange ist er bei uns? Wie können wir ihm helfen? Das brachte uns die Erkenntnis: Wenn seine gewohnten Unterschlüpfe verloren gehen, verhelfen wir ihm eben zu anderen Nistmöglichkeiten: Wir bauen passende Nistkästen für ihn. Neue Fragen ergaben sich: Wie sehen die aus? Kann man sie bauen oder müssen wir sie kaufen? Wo sollen wir sie einbauen bzw. aufhängen? Wo bekommen wir Geld her, um Baumaterial und Einbau zu finanzieren? Was ist zu tun? Hilfe bekamen wir wirklich von allen Seiten! Doch es wurde klar, dass wir allein, als Gruppe, Klasse oder Schule nicht genügend tun können. Wir sammelten "Freunde". Dazu braucht man Sachwissen, was bedeutete, dass wir es uns aneignen mussten. Das LBV- Angebot "Erlebter Frühling" mit Teilnahme und Bearbeiten der dazugehörigen Broschüren, Internet-Recherche, Bibliothek, Lexikon und Zeitschriften...alles war uns recht. Die nächste Erkenntnis war, dass wir unser Anliegen "an den Mann" bringen mussten. Aber wie? Wir kamen zu dem Schluss, zusätzlich zu den Eltern, noch alle Verwandten und Nachbarn unserer Schulkinder zu informieren. Schuleinschreibung, Elternabende, der Tag der offenen Tür, eigneten sich dazu. Außerdem wurden im Schulhaus Informationstafeln angefertigt, Zeitungsartikel geschrieben und an der jährlichen Haus- und Straßensammlung des LBV teilgenommen. Tatsächlich gelang es uns, nur durch Haussammlung einen sündhaft teuren Umweltkoffer zu gewinnen, den die Schule sich nie hätte leisten können. Somit waren unsere Eltern schon "vogelfreundlich" eingestimmt. Die daraufhin sehr positive Resonanz der Angesprochenen auch noch für unsere Schule Mauersegler-Einbausteine zu sponsern. überraschte uns. Ja sogar Patenschaften übernahmen die Eltern und bekamen für ihre Spenden von uns Urkunden, selbst gebastelte Mobiles oder Tonvögel.
Nachdem die Sanierungsarbeiten begonnen hatten und sich unsere Befürchtungen bezüglich unserer Mauerseglerkolonie bewahrheiteten, versuchten wir mit den Architekten der Umbaumaßnahmen Kompromisse auszuhandeln: Die Baugerüste sollten nicht während des Brutgeschäftes vor den Rollladenkästen die Vögel verschrecken. Nach Abzug der Vögel könnten dann die alten Brutstätten abgerissen werden und wir würden versuchen, so viel wie möglich an Ersatzkästen in dieser Zone aufzuhängen. Es gelang uns leider nur teilweise Kästen, die in der Wand verschwinden, einbauen zu lassen. So wurden mit Unterstützung des Hochbauamtes der Stadt Regensburg eben Nistkästen an die neuen Gebäude gehängt. Den Fortschritt der Arbeiten dokumentierten wir, um auch den Spendern zu zeigen, was mit ihrem Geld gemacht wurde. Der Einzug der Vögel wurde im nächsten Jahr genau beobachtet. Mit Kassetten, auf denen der Schrei des Mauerseglers zu hören war, versuchten wir unentschlossene Mauerseglerpaare auf die neuen Nistmöglichkeiten aufmerksam zu machen. UND ES GELANG UNS! Wir konnten bis zum Jahr 2002 auf dem Großen Pausenhof eine 100%ige Nistkastenannahme mit fast 100%igem Bruterfolg verzeichnen, ja sogar- mit Unterstützung des LBV -Mauerseglerwaisen von der Greifvögelstation in diese Brutkästen einzuschleusen.
Schlusswort: Hinzugefügt werden muss, dass alle diese Aktivitäten als Beispiele für ohnehin im Lehrplan vorgesehene Lerninhalte fächerübergreifend verwandt wurden. Das Problem Nistmöglichkeiten für Mauersegler ist nicht abgeschlossen, es stellt sich vielmehr in jedem Jahr neu und dann sind jeweils andere Kinder mit dem Problem befasst, bzw. die Kinder des Vorjahres sind in einer höheren Klassenstufe und haben da wieder altersgemäß andere bzw. mehr Möglichkeiten zum Handeln. Weiterhin sammeln wir für den LBV. Nicht nur, um unserem Ruf als vogelfreundliche und inzwischen im Stadtnorden als "Mauerseglerschule" bekannte Schule gerecht zu werden oder weil er unsere Aktivitäten durch spektakuläre Aktionen belohnt ! Vielmehr sind wir überzeugt von unserer Arbeit und erfahren, dass wir Hilfe sowie Unterstützung von außen brauchen. Und die bekommen wir stets vom LBV. Alle diese Aktivitäten können im Internet, auf unserer Homepage nachgelesen werden unter www.schulen.regensburg.de/hhgs (siehe Aktivitäten: Mauersegler)
Arlet Wills
Dieser Artikel wurde gedruckt im LBV-Heft "Vogel-Schutz", Ausgabe 2-2003 MAGAZIN FÜR ARTEN -UND BIOTOPSCHUTZ; S 22/23