Findi, der Mauersegler, der am 18.07.2006 aus dem Nest fiel
Der Fund
Findi, das Häufchen Elend
Am Dienstag, den 18.07.2006 verlegten die Schüler und Schülerinnen der Klasse 1b ihren Unterricht nicht nur wegen der großen Hitze ins Freie. Sie hatten vor zusammen mit ein paar Müttern und ihrer Lehrerin "Kunstunterricht zum Anfassen" durchzuführen.
Ziemlich am Ende des Workshop-Vormittages klopfte es plötzlich heftig an die Tür des Sekretariats. Ich öffnete und sah ein paar Kinder der Klasse 1b vor mir stehen, die aufgeregt versuchten mir klar zu machen, dass ich unbedingt kommen müsse. Sie hätten unter den Bäumen einen Mauersegler gefunden.
Ich kann nicht aufschreiben, was mir in diesem Augenblick so alles sekundenschnell durch den Kopf schoss, aber ich erinnere mich, dass ich etwas ungläubig fragte: "Seid ihr denn da sicher, dass es ein Mauersegler ist und nicht vielleicht eine Amsel?" Das hätte ich meine "Mauerseglerexperten" wohl nicht fragen sollen, wie ihr empörter Blick mir zeigte. Schnell war die Tür abgesperrt und ich eilte mit den aufgeregten Kindern zu dem kleinen Vogel.
Am besagten Baum angekommen, genügte ein Blick meinerseits und ich wusste: Da liegt tatsächlich ein Mauerseglerbaby. Es musste wohl aus Kasten 10 oder 11 über den Schulhof schlecht und recht geflogen und dann unsanft hinter dem Zaun des Schulhofes, Richtung Hans-Herrmann-Park, gelandet sein. Da saß es nun, völlig ermattet mit geschlossenen Augen und hatte mit der Welt wohl abgeschlossen.
Sein erstes Zuhause, eine Schachtel
Ich nahm vorsichtig das kleine Wesen in die Hand und brachte es in mein Rektorat, während die Schüler nun einigermaßen beruhigt weiter sich den sechs Stationen ihres Kreativ-Workshops widmeten.
Da ich nicht zum ersten Mal einen Nestling barg, war schnell eine Schachtel gefunden, ein Brotkörbchen zum Nest umfunktioniert und dann erst mal Ruhe geboten.
Da sowieso gleich Unterrichtsschluss war, packte ich das Tierchen in mein Auto und fuhr mit schweren Gedanken nach Hause: Der Vogel war schätzungsweise erst 2 Wochen alt, in schlechtem Zustand, musste also noch mindestens 2 Wochen gefüttert, gehegt und gepflegt werden. Das hieß für mich beim Gartencenter Heimchen zu besorgen, sie ihm mundgerecht zu servieren, d.h. sie erst einmal töten, dann beide Hüpfbeine und Fühler abschneiden, sie mit der Briefmarkenpinzette packen und Findi in den Schlund stopfen. Und dieses Spiel würde sich alle 2 Stunden bis ungefähr 22.00 Uhr wiederholen.
Die erste Fütterung
Ein wenig bang war mir schon, denn das Tierchen war sehr, sehr abgemagert. Schnell besorgte ich also die besagten Heimchen und versuchte dem "Findi", wie er jetzt hieß, den Leckerbissen ins Schnäbelchen zu stopfen. Aber er machte ihn nicht auf; erst als ich sie ins Wasser tauchte, fand er es besser und ließ sich herab drei Heimchen zu verspeisen. Nun das war ja zumindest mal ein Anfang! Nach dem Essen wurde er gewogen: Nur 25g brachte er auf die Waage. Oh je, da musste er noch sehr viele Heimchen fressen, um das Abfluggewicht von 40g zu erreichen!
Findi kommt in die Zeitung
Eine lange, lange Woche stand mir noch bevor! Manchmal, wenn ich keine Zeit hatte, musste ich ihn sogar in die Schule mitnehmen, um ihn zu füttern. Bei dieser Gelegenheit kam auch Frau Schramm vom Regensburger "Blitz" vorbei und beschloss aus heiterem Himmel einen kleinen Zeitungsbericht über Findi zu schreiben.
Findi hat gelernt Heimchen zu schnappen
Ansonsten übernahm mein Sohn zu Hause die Fütterung. Es dauerte nur zwei Tage, dann hatte Findi begriffen, dass er - wenn sich die Pinzette oder der Finger näherte- zupacken musste. Und er ließ es sich von Tag zu Tag besser schmecken! Manchmal verschlang er 30 Heimchen, zuerst die kleine Sorte, eine Woche später die mittlere Sorte, die schon leichte Flügelchen hatte. Die mussten wir aber entfernen, sonst hätte er verweigert.
Dass sich Findi innerhalb zwei Wochen liebevoller Pflege zu einem stattlichen Vogel entwickelte, sollen nun nicht mehr Worte sondern ein paar Bilder zeigen.
Ich bin müde und nicht mehr hungrig! |
Findis Lieblingsbeschäftigung: Kraulen der Kehle |
Inzwischen frisst Findi pro Mahlzeit 10 Heimchen und ist so gierig, dass er den ganzen Finger verschluckt.
Findi ist gierig |
Nach dem Füttern geht's zum Schlafen |
Zufrieden sitzt er in seinem neuen Heim |
Bin ich nicht schön? |
Schon in der zweiten Woche begann ich mit seinem Überlebenstraining:
Kletterübungen sind angesagt |
Schaukeln macht Spaß |
Gleichgewichtsübungen sind anstrengend |
Ich über an Styroporwänden meine Beinmuskeln |
Nach der Sportstunde werden jedesmal meine Flügel gemessen, denn sie wachsen tatsächlich jeden Tag um 0,4cm!
Das Messen der Flügel |
So lang sind meine Flügel schon (15cm) |
Der verzögerte Endspurt
Inzwischen ist Findi ausgewachsen, verweigert ab und zu Fressen und zeigt ganz deutlich, dass er nun hinaus in die weite Welt will.
Jeden Tag wartet er genauso sehnsüchtig auf seine Freilassung wie wir; aber das Wetter spielt augenblicklich nicht mit und seine Artgenossen lassen sich auch nicht blicken. Wenn dann doch noch die Sonne in den nächsten Tagen scheint, sich mehrere Mauersegler am Himmel zeigen, werden wir auf den Sportplatz hinter der Albert-Schweitzer-Schule gehen und ihn starten lassen: Einerseits mit ein bisschen Wehmut und schwerem Herz, dass wir ihn jetzt aus unserer Menschenwelt entlassen müssen; wir alle hatten uns schon so sehr an ihn gewöhnt und ins Herz geschlossen! Andererseits aber ist der glückliche Gedanke vorherrschend, dass es uns gelang aus einem Häufchen Unglück einen starken und wunderschönen Mauersegler heranwachsen zu lassen, der sich jetzt mit seinen Artgenossen bald auf die große Reise nach Afrika begeben wird.
Mein erster Flug |
In ein paar Tagen darf ich abfliegen, verspricht mir meine Menschenmutter |
Zum blauen Himmel will ich |
und nicht auf den Schrank! |
Abflug
Am 8.08.2006, an einem nach langer Zeit sonnigen Tag, begaben wir uns auf den Sportplatz der Schule. Vorher wurde er noch einmal stark gefüttert; denn es war uns allen klar, dass er in den nächsten Tagen erst mal lernen musste sich selber sein Futter zu fangen. Danach gab es noch -wie gewohnt- ein kleines Kraulen am Kropf, wobei er genießerisch den Kopf zurücklegte und die Augen vor Wohlbehagen schloss.
Dann nahm ich als Pflegemutter ihn in die Hand und trug ihn schweren Herzens zum Abflugort. Die Sonne schien wunderbar, einige Schwalben flogen über den Platz und als ich, meine frühere Chefin, meine Stellvertreterin und meine Tochter (Fotografin) und Sohn (Filmer) fragte "soll ich ihn jetzt frei lassen?" und alle nur stumm nickten, da öffnete ich die Hand und Findi schaute etwas verwundert umher, als wolle er sagen "was soll ich denn jetzt tun?" Doch plötzlich erhob er sich, zog sich steil in die Höhe und flog einen kurzen Augenblick auf das Hochhaus zu. Mein Herz blieb fast stehen, so viel Angst hatte ich bei diesem Unternehmen! Doch dann änderte er die Richtung und kreiste elegant über unseren Köpfen hinweg in Richtung des Pausenhofes der Grundschule. Glücklich entließen wir ihn in die Freiheit. Möge er weiterhin ein normales Mauerseglerleben führen!
Findi fliegt ab |
Endlich in der Freiheit |